„Ja tvoi sluga (ich bin dein Sklave)
Ja tvoi rabotnik (Ich bin dein Arbeiter)
Wir sind auf alles programmiert
und was du willst wird ausgeführt
Wir sind die Roboter
Wir sind die Roboter
Wir sind die Roboter
Wir sind die Roboter“
– Kraftwerk, Die Roboter, 1977
Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Roboterjournalismus. Das ist zuallererst mal ein gutes Wort. Es klingt wie etwas aus dem Spätwerk des großen Philip K. Dick. Dabei gibt es den Roboterjournalismus wirklich. Nein, ich rede nicht von überarbeiteten Gestalten, die gebeutelt von der Medienkrise in entvölkerten Redaktionsstollen ihrem freudlosen Tagwerk nachgehen und maschinengleich die Seiten mit achtlos kombinierten Buchstabensammlungen vollramschen. Ich rede von ihren künstlichen Kollegen, von Computerprogrammen, die Datenbanken durchforsten, recherchieren und schließlich selbstständig geschriebene Artikel anfertigen. Ich rede von einem Phänomen, das schon bald für schnappatmende Debatten im deutschsprachigen Feuilleton sorgen wird.
Für Zweckpessimisten steht bereits fest: Jetzt haben wir den Blatt- respektive Datensalat. Zuerst gräbt das Internet der Branche das Wasser ab, dann frisst Google das Anzeigenvolumen auf und schließlich kommen auch noch Roboter daher und nehmen den gramgebeugten Redakteuren die letzten verbliebenen Jobs weg. Die Medienkrise mutiert langsam wirklich zur Mediapokalypse. Man müsse, so die Zweckpessimisten weiter, kein Prophet sein, um vorherzusagen, was der flächendeckende Einsatz von Roboterjournalisten für die Zukunft der Printlandschaft bedeutet: Eine künstliche Maschinenintelligenz aus der Zukunft – nennen wir sie Skynet – wird mittelfristig per Zeitmaschine einen Killerroboter in Menschengestalt in unsere Gegenwart zurücksenden, um hier die künftige Mutter des noch nicht geborenen John Connors der Medienbranche zu terminieren.
Da ich mit dem Darsteller des Terminators die Heimatstadt teile, kann ich das Thema nüchtern betrachten. Darum habe ich mir mal angesehen, was deutschsprachige Roboterjournalisten so schreiben, wenn der Tag lang ist. Und zu meiner Überraschung stellte ich fest: So schlecht ist das gar nicht. Hier ein Beispiel aus dem Sportressort, verfasst von Roboterjournalisten der Stuttgarter Kommunikationsagentur „aexea“:
Warriors deklassieren Nowitzkis Mavericks
Mit 85:108 haben die Dallas Mavericks um Allstar Dirk Nowitzki gegen die Golden State Warriors verloren. Die Mavericks steigen damit auf Platz 8 in der Western Conference ab. Die Warriors steigen auf Rang 6 auf. Sie knüpfen damit an die guten Platzierungen vom Saisonbeginn an. Nach den Siegen gegen Phoenix und Atlanta ist dies für die Warriors der dritte Sieg in Folge.
Sicher, die Schreibe des Skynet-Altvorderen strotzt nicht gerade vor sprachlichem Leben. Aber das kann man über die Texte seiner menschlichen Kollegen auch gerne und oft behaupten. Zumindest verzichtet der elektronischen Redaktionsaspirant auf Sportreporterfloskeln wie „sie fanden über den Kampf ins Spiel“, „das Spiel lebte von der Spannung“ „die Mannschaft zeigte ihr zweites Gesicht“ oder „der Pokal hat seine eigenen Gesetze“. Auch schustert er ohne zu murren Kurzmeldungen zusammen und füllt so zuverlässig die Ein- und Zweispalter der Zeitung. Diese Aufgabe zählt traditionell zu den lästigeren Aspekten des Redakteursalltags. Überhaupt bringt der Roboterjournalismus fast nur Vorteile mit sich: Pressekonferenzen, Pressempfänge und Pressereisen muss man erst gar nicht mehr veranstalten, weil Roboterjournalisten ja über keine Körper verfügen, die sie zu solchen Anlässen schleppen könnten. Wer über keine Körper verfügt, hat logischerweise auch keinen erhobenen Zeigefinger. Darum schreibt der Roboterjournalist keine mahnenden Leitartikel zu Themen, die er nicht versteht. Und eitle Interviews mit Kollegen, wie sie bei Menschenjournalisten üblich sind, kommen im Roboterjournalisten so gut wie gar nicht vor. Einziger Nachteil: Roboterjournalismus ist im Vergleich zum Menschenjournalismus teuer. Während es bei Schreibern aus Fleisch und Blut immer häufiger vorkommt, dass Artikel gratis angeboten werden, kostet der Text aus synthetischer Hand bei „aexea“ mindestens einen Euro.
Objektiv betrachtet ist Roboterjournalismus ein vielversprechendes Zukunftsmodell mit geringem Bedrohungspotenzial. Nur eines irritiert mich: Ist das Phänomen wirklich so neu? Ich hätte schwören können, dass der flächendeckende Einsatz von technisch noch wenig ausgereiften Robotern zumindest im Sportjournalismus seit mindestens 20 Jahren Branchenstandard ist.
Nachtrag: Dieser Text wurde nicht von Wolfgang Zechner selbst geschrieben, sondern von einem Roboter, der darauf programmiert ist, wie Wolfgang Zechner zu schreiben.