Ein gut gemeinter Warnhinweis steht am Anfang. Die Lektüre des nachfolgenden Textes kann Desorientierung, Schwindelgefühl und sogar Epilepsie hervorrufen. Ich sag’s nur gleich dazu. Nicht, dass nachher jemand auf die Idee, kommt die Folgeschäden einzuklagen.
Beginnen wir mit einer Positionsbestimmung. The KLF ist einer der fünf wichtigsten Pop Acts aller Zeiten. Diese Aussage mag auf den ersten Blick verrückt klingen, ist aber trotzdem eher eine Unter- als eine Übertreibung. Das bedarf einer Erklärung. Zu diesem Behufe durchschreiten wir die Pforten der Wahrnehmung und reisen zurück in der Zeit. Nach 1991. Also in jenes Jahr, in dem diese merkwürdige Band die alte Ordnung mit ein paar größenwahnsinnigen Singles auf den Kopf stellte. Für ein paar unschuldige Wochen lang war The KLF die erfolgreichste Band der Welt. Wenige Monate später lösten sie sich Hals über Kopf auf und löschten ihren gesamten Back Katalog. Warum? Das ist die Frage der Fragen. Die Antwort ist wohl irgendwo da draußen. Vielleicht ist die Frage aber auch einfach nur falsch gestellt und müsste eher heißen: Warum gerade zu diesem Zeitpunkt?
Aber ich greife vor. Eine intensive Beschäftigung mit der Band gleicht dem Abstieg in den Kaninchenbau. Wer zur rote Pille greift und dem weißen Nager hinter die Spiegeln folgt, betritt eine Parallelwelt aus Pop, Situationismus, Prankstertum, Synchronizität, Chaosmagik, Diskordianismus, Dada, Dr. Who sowie kalkuliertem und unkalkulierbarem Wahnsinn. Willkommen im Reich der Timelords und ihrer Operation Mindfuck. Wenn man der janusköpfigen Pop-Sphinx The KLF nur lange genug in die Augen blickt, entstehen Bildern. So wie in diesen 3D-Bildchen, die Mitte der 90er-Jahre mal für kurze Zeit sehr modern waren. Doch die Dinge, die so sichtbar werden, sind beunruhigend. Plötzlich gibt es personelle Querverbindungen, die das Band-Duo mit den unterschiedlichsten Phänomenen verschränken. Etwa mit dem unheimlichen Hasenkostüm aus Donnie Darko oder – man lese und staune! – mit dem tödlichen Schüssen auf John F. Kennedy.
Am Ende der Reise steht man vor einem unwirklich anmutenden Rätsel: Eine Million Pfund in kleinen Scheinen, rituell verbrannt auf einer abgelegenen, schottischen Insel. Während man nach Orientierung ringt, meint man aus dem Off ein Kichern zu vernehmen. Es stammt wohl von Lewis Carroll, Aleister Crowley, Robert Anton Wilson, Carl Jung, Alan Moore oder von Albert Hofmann. Ist es gar möglich, wie etwa der britische KLFologe John Higgs andeutet, dass The KLF ab 1992 mit einer Serie von magischen Ritualen die Popgeschichte beendet und das 21. Jahrhundert erschaffen haben? Als in die Wolle gefärbter Skeptiker sage ich: Wahrscheinlich schon. Bill Drummond und Jimmy Cauty, die Männer hinter dem Gesamtkunstwerk, schweigen dazu beharrlich – bis heute. Womöglich aus gutem Grund. Zudem besteht der Restverdacht, dass es sich bei der ausufernden Mythologie rund um The KLF um einen geschickt zusammengeklauten Hoax handeln könnte. Es ist nicht einmal auszuschließen, dass sogar dieser Text Teil des großen Schwindels ist. Selbst als Verfasser dieser Zeilen traue ich mir hier kein endgültiges Urteil zu.
Fest steht: 23 Jahre später – 23! – bleibt vor allem zweierlei übrig: Zum einen Ratlosigkeit. Und zum anderen eine Handvoll seltsamer, mit merkwürdigen Beschwörungsformeln überladener Welthits, deren magischer Sogwirkung man sich auch heute noch kaum entziehen kann. In diesem Sinne: Tanzt, Ihr glücklichen Unwissenden! Und folgt den Justified Ancients of Mumu in die Zukunft. Oder in den Abgrund. Because time is eternal.
Nachtrag: Weil sich hier die offenen Fragen stapeln, darf ich zumindest die im Titel aufgeworfene Frage beantworten: Drei Uhr früh. Und zwar in alle Ewigkeit.