In meiner Kindheit im letzten Jahrtausend gab es in den frühen 80er-Jahren das seltsame Genre der karitativen Rock- und Pop-Kongregation. Dabei sangen Musiker im nationalen Rudel für einen guten Zweck, zumeist gegen den Hunger in der Dritten Welt. Der US-amerikanische Beitrag, nämlich „We are the world“ von „USA for Africa“, bleibt unvergessen. Nicht nur weil sich der Song sofort in den Gehörgängen festkrallte wie ein Ohrwurm, der mit Steigeisen bewaffnet ist, sondern auch weil Bob Dylan dabei dreinschaut als wäre er ziemlich unfreiwillig hier. Hätte man den Chor von hinten gefilmt, könnte man wohl den Pistolenlauf erspähen, der ihm während der Aufnahme zwischen die Schulterblätter gedrückt wurde.
Auch das Vereinigte Königreich brachte unter der Führung des umtrieben wenngleich als Musiker eher mittel interessanten Spendenonkels Bob Geldorf eine entsprechende Single auf den Markt. Sie hieß „Do they know it’s Christmas time ago“ und klingt, als hätte man „Ob-La-Di, Ob-La-Da“ von den Beatles mit dem Spaten zur Betroffenheitsballade umgegraben. Schlecht wäre schon zu viel des Lobes. Weil aber das Original noch nicht nervig genug war, wurde der Song 30 Jahre später noch einmal aufgenommen. Und zwar in deutscher Sprache. Campino, der deutsche Bob Geldorf für Arme, steckte damals dahinter und das ist auch alles, was man über dieses klebrige Debakel wissen muss. Der mieseste Beitrag des Genres kam trotzdem wenig überraschend aus Österreich. Eine schnurrbärtige Dauerwellen-Zusammenrottung von damals mehr oder weniger populären Austropop-Figuren nannte sich ganz originell „Austria für Afrika“ und sang einen unerträglichen und zu recht vergessenen Ethno-Schunkler namens „Warum?“. Wobei die Frage natürlich sehr berechtigt war, vor allem in Hinblick auf die Tatsache, dass der Song überhaupt aufgenommen wurde.
Nun scheint es fast so, als wäre die Geschichte des Charity-Songs eine lange, nicht rehabilitationsfähige Abfolge von musikalischen Niederlagen. Dann entdeckte ich dieser Tage den schwedischen Beitrag aus dem Jahr 1985. Er stammt von einem „Künstlerkollektiv“ namens „Swedish Metal Aid“ und er verstörte mein Pop-Weltbild nachhaltig. Ich musste das gespenstische Meisterwerk vier Mal ansehen und minutenlang im Internet nachrecherchieren, um halbwegs sicher zu gehen, dass es sich dabei um keine Parodie handelt. Das ist aber auch schon alles, was ich darüber schreiben kann. Denn die Worte verweigern sich mir. Nichts, was mir einfiele, würde dem Dargebotenen auch nur ansatzweise gerecht werden. Jede Formulierung würde ins Leere greife. Jeder Gedanke wäre ein Behelf, jeder Satz eine Krücke. Die menschliche Sprache stößt hier auf ihre natürlichen Grenzen. Und wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.