Game of Thrones von George Raymond Richard Martin. Oder besser: A Song Of Ice And Fire, wie die Buchserie heißt. Meine Güte, wie gut fand ich damals um die Jahrtausendwende die ersten drei Bücher! Fantasy für Leute, die Fantasy eigentlich blöd finden. Statt der asexuellen und frauenlosen Buben-Fantasie „Herr der Ringe gab es plötzlich eine schier unüberschaubare Anzahl von Figuren, denen nichts Menschliches und Unmenschliches fremd war. Tolkiens naives Schwarz-weiß-Gemälde wurde grau eingefärbt, mit blutroter Farbe zugeschüttet, mit Benzin übergossen und schließlich angezündet. Nicht einmal verfluchte ich den Autor lautstark, weil er wieder mal eine lieb gewonnene Figur plötzlich und unter massivem Gewalteinsatz aus der Serie rausgeschrieben hatte. Elender Sadist!
Einmal schämte ich mich sogar beim Lesen über mich selbst. Ich hatte mich dabei ertappt, wie ich mich mit geballter Faust ins Buch hineinfreute, weil gerade eine minderjährige Figur besonders qualvoll erstickt war. Okay, die Figur war ein deviantes Ekelpaket der übelsten Sorte, so eine unsympathische Mischung aus Donald Trump, und Kevin aus Kevin alleine zu Hause. Aber trotzdem. Ein Minderjähriger! Erstickt! Und ich tanze vor Freude ums Hardcover! Gute Güte! Ein Autor, der das schafft, muss ein magisches Händchen haben. Oder ein, zwei Dinge übers Schreiben wissen.
Ab dem vierten Buch franste das Franchise zusehends aus. Es schien, als ob sich die labyrinthische Handlung zusehends verlaufen würde. Dann kam die TV-Serie und dem obskuren Objekt meiner Bewunderung wurde das tödliche Gift der Popularität injiziert. Plötzlich liebten sie alle Game Of Thrones. Und jeder hatte plötzliche eine Meinung dazu. Oh wie arg! Sogar Inzest kommt vor! Und dann diese eine Hochzeit! Das musst Du Dir ansehen! Was? Du hast die Bücher gelesen? Bitte nicht spoilern! Selbst Menschen, die hinter dem Begriff Fantasy bis vor kurzem noch ein Porno-Subgenre vermutet hatten, beteten plötzlich die Genealogien der verschiedenen Adelshäuser von Westeros auswendig runter. „Winter is coming“, der Slogan der Serien, wurde nach ganz unten durchgereicht, wo ihn Boulevard-Medien, Werbeagenturen und Kommunikationsagenturen scheinbar ironisch abgewrackten. Es war ein Jammer! Das Lied von Eis und Feuer war ausgesungen, erfroren und abgebrannt. Elitäre Kultursnobs wie ich klammerten sich verzweifelt an ihren Dünkel fest und weinten dabei ihre eng geschnittenen Maßanzüge feucht.
Dabei war die TV-Serie zu Beginn nicht einmal schlecht gemacht. Irgendwann überholten sie aber die Bücher, die skandalöserweise immer noch nicht fertig geschrieben sind. Genau in dem Moment, nämlich als die Vorlage wegfiel, fiel auch die Serie auseinander. Sie fiel auseinander wie der Körper jener Figur, die zu Ende des ersten Buchs enthauptet wurde. Das kluge Timing der früheren Staffel wurde über Bord geworfen. Stattdessen drückten die Macher der Serie aufs Tempo. Dem Publikum blieb kaum noch Luft zum Atmen. Die Figuren hetzten von Schauplatz zu Schauplatz. Die missglückte siebte Staffel verkam zur lieblosen Abhaken von Handlungs-Knotenpunkten. Die krude Mischung aus Orientierungslauf, Greatest Hits-Compilation und Selbstparodie hinterließ einen ziemlich schalen Nachgeschmack. Der Eiserne Thron war plötzlich ein weicher Stuhl.
Nun also Staffel Acht. Die erste Folge werde ich mir heute gleich einem Whitewaker mit toten Augen im Wiener Gartenbaukino ansehen. Trotz alledem. Ich rechne mit dem schlimmste. Es ist wie mit einer längst erloschenen Liebe. Man hat sich zwar auseinandergelebt, aber ein bisschen neugierig ist man schon. Geht da vielleicht noch was? Oder denkt man sich: Wie konnte ich damals nur? Apropos können: Im gut geheizten Lichtspieltheater kann der Winter ruhig kommen. Es ist sowieso längst Frühling.