Nun, nachdem Japan und Ronaldo ausgeschieden sind, frage ich mich, für wen ich nun halten soll. Vielleicht für einen Underdog? Etwa Russland? Nein, weil zu böse. Brasilien? Nein, weil zu aufdringlich-lebensbejahend. Frankreich? Ist mir persönlich ein bisschen zu französisch. Schweden? No Zlatan, no party. England? Die Fans der drei Löwen haben vor 20 Jahren, einen der Ihren, nämlich den von mir so verehrten David Beckham, ausgepfiffen. Also nein. Never forgive, never forget. Kolumbien? Nun ja, als passionierter Ex-Stehkicker habe ich natürlich eine Schwäche für Carlos Alberto Valderrama Palacio, diesen Super-Slow-Mo-Mittelfeldmaestro mit dem sprichwörtlichen Bierdeckelradius. Unvergessen sein Auftritt bei der WM 1998: Damals war er bereits 37 Jahre alt, also bereits im Spätherbst seiner fußballerischen Existenz. Aber seine atemberaubenden Haare wogten immer noch im Wind, wie ein intelligenter Symbiont, der die Naturgesetze selbst verhöhnt. Wenn man im TV genau hinhörte, konnte man zudem das Klimpern seiner zahllosen Goldkettchen und Armreifchen hören, die er auch während des Spiels stets trug. Kaum war er am Ball, ging es schon los: bling, bling bling. Kurz danach wurde das Tragen von Zierrat von der FIFA verboten. Weil wir gerade von Valderrama reden: Belgien könnte ich die Daumen drücken. Gründe gäbe es genug. Marouane Fellaini zum Beispiel, den Mann fürs Grobe mit der gemäschten Valderrama-Gedächtnis-Reinigungsbürste am Goldköpfchen. Oder Romelu Lukaku, die Feinmechanikerin unter den Abrissbirnen. Einer der stets spielt, als wäre er ein Thomson-Gazellchen, das im Körper eines Wasserbüffels gefangen ist. Erwähnen will ich auch Kevin De Bruyne, der immer so dreinschaut, als hätte ihm die Drittklässler gerade die Schultüte geklaut. Und natürlich Eden Hazard, Besitzer des phonetisch schönste Fußballernamens seit Tranquillo Baretta. Apropos: Die Schweiz wäre natürlich auch eine Option. Immerhin ist die Eidgenossenschaft ein bisschen wie Österreich, nur halt ganz anders, was für sie spricht, Vielleicht. Kroatien? Ja, Kroatien! Viele schöne Erinnerung verbinde ich mit dem Adrialand. In den mittleren 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts saß ich am Rückbank des elterlichen Opel Kadetts und wurde in den sommerlichen Jugoslawienurlaub kutschiert. Am Campingplatz dann mit anderen Kindern schnell vier Handtücher als Tore hingelegt. Zuerst Heustroh und dann vier gegen vier beziehungsweise Drei-Corner-ist-Elfer. Zwischendurch lief man zur Strandbar und bestelte eine Flasche jugoslawisches Fanta, das den wunderlichen Namen „Pipi“ trug. Habe ich wen vergessen? Ach ja, Uruguay. Dazu fällt mir nichts ein, außer, dass das Land bereits zweimal Weltmeister war. Zuletzt im mittleren Mesozoikum. Moment! Zu Uruguay fällt mir doch was ein. Nämlich ein weiterer Herrenhaarschnitt in Form der samtenen Goldlocken von Diego Forlan. Aber der sympatische Blondschopf hat die Stollenschuhe ja an den Nagel gehängt. Also sind die Würfel gefallen und die Vorauswahl ist getroffen: Kroatien, Belgien, Schweiz oder meinetwegen Kolumbien.