Das Zeitalter des Kommunikationstotalitarismus hat auch viele Schattenseite. Etwa die Tatsache, dass jeder zu jedem Thema eine Meinung haben muss und mit dieser obendrein nicht hinter dem Social Media-Berg hält. Dieses Primat der Wichtigtuerei sorgt dafür, dass bestimmte Modewörter besonders inflationär nachgeplappert werden. Die Verwendung solch populärer Ungetüme entlarvt den Verfasser als Mitglied der Schwarmignoranz, als Dampfplauderer, als Angeber, als Trendhinterher-Hechler, als Jugendsprache-Imitator oder auch einfach nur als finsteren Reaktionär.
Ich darf Ihnen ab heute und in kommenden Blog-Einträgen die ärgerlichsten Modewörter präsentieren. Doch bevor ich Sie auf eine Reise ins Herz der sprachlichen Finsternis mitnehme, sei mir noch eine Klarstellung erlaubt. Mein Pranger ist ein ästhetischer, kein weltanschaulicher. Mit dem erhobenen Zeigefinger, wie er bei moralisierenden Ereiferungs-Veranstaltungen wie etwa der Wahl zum „Unwort des Jahres“ üblich ist, habe ich nichts am Hut. Hier bin ich Geschworener, Richter, Staatsanwalt und Henker in Personalunion.
Spannend
Ich gehe jede Wette ein, dass im Jahr 2013 in einer durchschnittlichen Verkaufs-Präsentation oder in einem beliebigen Marketing-Meeting kein Adjektiv so oft verwendet wird wie spannend. Überhaupt hat das Wort in den vergangenen Jahren eine erstaunliche Karriere hingelegt. Früher bezeichnete man gerade mal ein fesselndes Buch, einen Thriller oder meinetwegen ein interessantes Erlebnis mit ungewissem Ausgang als spannend. Heutzutage ist alles spannend. Und zwar wirklich alles. Eine spannende Idee oder noch schlimmer ein spannendes Nachhaltigkeitskonzept. Ein spannendes Werbekonzept oder spannende bullet points. Auch bereits gehört: eine spannende Powerpoint-Präsentation. Gemeint ist interessant. Und selbst das ist meistens gelogen. Weil aber interessant zu langweilig und fad zu ehrlich ist, wird gerade im beruflichen Kontext jede nur erdenkliche Banalität mit dem Adjektiv spannend auffrisiert. Ähnlich abscheulich ist die Verwendung der doppelten Negation „nicht unspannend“. Ein österreichischer Wirtschaftsjournalist hat vor einiger Zeit folgendes getwittert: „Nicht unspannend! Die Halbjahreszahlen von Siemens“. Da half nur eine sofortige und endgültige Entfolgung.
Kids
Das Wort Kids ist im besten Fall ein etwas flapsiger Anglizismus. Im schlimmsten Fall handelt es sich dabei um anbiedernden Pädagogen-Jargon, der modern und kumpelhaft klingen will und dabei vorgibt, er begreife die Freuden, Nöte und Bedürfnisse von Kindern aus Sicht der Kinder. In Wirklichkeit würden Kinder nie von sich selbst als „Kids“ sprechen. Zumindest war das bis vor ein paar Jahren der Fall. Ob es in jüngster Vergangenheit hier zu einer Rückkoppelung gekommen ist, wäre eine eigene Untersuchung Wert. Da der Status des Wortes Kids im Moment ungeklärt ist, rate ich dazu, von einer Verwendung bis auf weiteres abzusehen.
Kult
Ein blamables Wort, dessen Verwendung dem Benutzer ein vernichtendes Zeugnis ausstellt. Wer „Kult“ oder dass noch schlimmerer Adjektiv „kultig“ schreibt, will kulturelles Auskennertum signalisieren, erreicht aber genau das Gegenteil. Das Wort Kult ist ein klassisches Medienmenschenwort, das in den vergangenen 20 Jahren eine vollständige Bedeutungsumkehr erfahren hat. In den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts bezeichnete man mit dem Begriff „Kult“ noch kulturelle Randphänomene, die sich nur einer kleinen, aber eingeschworenen Fangemeinde erschlossen haben. Heute wird es in den einschlägigen Drive-by-Medien im augenzwinkernden Sinne von „populär und altbekannt“ verwendet. „Der Auftritt von DJ Ötzi im Musikantenstadl war absoluter Kult.“ Diesen real existierenden Satz, gefunden in einem Gratis-Periodikum, darf ich als monströses Mahnmal für popkulturelle Verwahrlosung einfach mal so stehen lassen.