Ich hörte. Ich staunte. Der neue Bundeskanzler Christian Kern spricht ein geschliffenes Deutsch, das grammatikalisch fehlerfrei ist. In seiner ersten Pressekonferenz benutzte er attraktive Verben und bemühte interessante Sprachbilder. Bonuspunkte gibt es, weil er er jeden Satz, den er begann, auch korrekt beendete, egal wie viele Nebensätze er dazwischen einschob. Hier betrat jemand Neuland und vermochte dabei seine Gedanken vorbildlich im Zaum zu halten. Eine seltene Fertigkeit. Auch dass er es schaffte, zehn Minuten zu sprechen, ohne das Langweiler-Wort „spannend“ in den Mund zu nehmen, muss lobend erwähnt werden. Die einziges Floskeln, die ich wahr genommen habe, waren „am Ende des Tages“ und „ein Stück des Weges“. Aber ich will nicht zu streng sein. Das war ein im ästhetischen Sinne sehr ergebnisreicher Auftritt. Auch der schwarze Anzug saß und harmonierte tadellos mit dieser merkwürdig-sanften Strenge, die stets in seiner Stimme mitschwang.