Vor wenigen Tagen startete ich ein ziemlich spektakuläres Experiment. Mein Ziel: Das Raumzeit-Gefüge in sich selbst zu falten und damit die Gesamtheit des Seins zum Einsturz zu bringen. Um zu verstehen, was ich vorhatte, muss ich ein wenig ausholen: „2001: A Space Odyssey“ ist wahrscheinlich der wichtigste Science Fiction-Film, der je gedreht wurde. Im April wurde Stanley Kubricks monolithische Meisterwerk 50 Jahre alt. 2001 spielt von 1968 aus gesehen 33 Jahre in der Zukunft. In dieser fiktiven Zukunft taucht ein Gerät auf, das einem iPad in Form und Funktion verblüffend ähnlich sieht. Es hat den Anschein, als wäre ein Tablet aus der Zukunft auf Umwegen in die Vergangenheit gelangt, um dort als futuristisches Artefakt in einem Film aufzutauchen, der passenderweise in der Zukunft spielt. Das klingt erstmal abwegig. Was aber tatsächlich geschah, ist möglicherweise noch viel abwegiger. Es ist nämlich so: In unserer Realität gab es im Jahr 2001 noch gar kein iPad. Es war schlicht noch nicht erfunden. Was es aber gab, waren Apple-Produktentwickler, die sich irgendwann um das Jahr 2001 herum „2001“ angesehen haben müssen. Diese Produktentwickler sahen das dort verwendete Gerät, übernahmen die Idee und brachten dieses neun Jahre nach unserem Jahr 2001, also vor acht Jahren, auf den Markt. Die temporale Verwirrung kriecht am Zeitstrahl in beide Richtungen dahin und lässt die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verschwimmen: Zum einen inspirierte ein fiktives Gerät aus der Vergangenheit, das es in einer fiktive Zukunft gab beziehungsweise geben wird, ein reales Gerät aus unserer realen Gegenwart. Zum anderen lässt ein reales Gerät aus unserer Gegenwart die fiktive Zukunft der realen Vergangenheit real aussehen, weil der Anschein erweckt wird, als hätte Stanley Kubrick tatsächlich die technologischen Entwicklungen seiner Zukunft, also unserer jüngere Vergangenheit, vorhergesehen. Verwirrt? Gut so. Nun zurück zu meinem Experiment: Exakt zum 50. Geburtstags des Films, am 6. April 2018, sah ich mir den Film „2001“ noch einmal an. Und zwar ganz bewusst auf einem iPad. So viel erzwungene Metaebenen, Rückkoppelungseffekte und Zeitparadoxa müssten doch katastrophale Auswirkungen auf den quantenmechanischen Zusammenhalt des Universums haben, so meine existenzielle Überlegung. An dieser Stelle ist es wohl Zeit für einen Spoiler: Es ist gar nichts passiert. Noch nicht. Zumindest existierte die Realität zum Zeitpunkt der Niederschrift dieses Textes noch. Entwarnung will ich aber noch keine geben. I’m sorry Dave, aber dazu wäre es jetzt zu früh. Vielleicht dauert es einfach noch ein wenig, bis sich die zerstörerischen Auswirkungen jener Kettenreaktion bemerkbar machen, die ich mit meinem leichtfertigen Handeln losgetreten habe. Womöglich habe ich das alles aber auch nur frei erfunden, weil ich einen launigen Text über einen ganz grossen SciFi-Klassikers schreiben wollte. Man weiss es nicht genau.
Anm.: Der Text erschien im Rahmen meiner „Justified&Ancient“-Kolumne in der Mai 2018-Ausgabe des Schweizer Popkultur-Magazins RCKSTR. Die Schweizer Rechtschreibung wurde auch hier beibehalten.